Was bedeutet der „Grundsatz der Wohlwollenspflicht“ beim Arbeitszeugnis konkret?

Der Grundsatz der Wohlwollenspflicht begründet sich darin, dass einem von Ihnen ausgestelltem Arbeitszeugnis neben der Informationsfunktion auch eine Werbefunktion zukommt. Bei seinem Bemühen um eine neue Arbeitsstelle kann ein schlechtes Arbeitszeugnis für den Arbeitnehmer ein unüberwindliches Hindernis sein. Sie sind daher gehalten, das Zeugnis mit verständigem Wohlwollen zu erstellen. Dieses Wohlwollen liegt auch in Ihrem eigenen Interesse, um unnötigen Streit um das Arbeitszeugnis zu vermeiden, der Ihnen keinen wirtschaftlichen Vorteil bringt.

Zum verständigen Wohlwollen gehört, dass das Zeugnis auf den Gesamteindruck von dem zu beurteilenden Mitarbeiter konzentriert wird. Zum Beispiel sollen atypische Fehlleistungen und kleinere Schwächen nicht im Zeugnis verewigt werden. Insbesondere Spannungen während der Kündigungsfrist sollten nicht ins Zeugnis aufgenommen werden.

Problem: Wahrheit oder Wohlwollen

Beim Abfassen des Zeugnisses kann es vorkommen, dass Sie sich im Zwiespalt befinden, ob Sie bestimmte Vorkommnisse oder Fehlleistung aufnehmen sollen oder eben nicht.



Die Wahrheitspflicht hat Vorrang vor der Wohlwollenspflicht.


Selbst wenn Sie dem ausscheidenden Mitarbeiter entgegenkommen wollen, sind Sie nicht zur Lüge verpflichtet. Dazu zählt auch, dass Sie grobes, insbesondere für das weitere Arbeitsleben relevantes Fehlverhalten nicht weglassen dürfen.

Schadenersatzpflicht bei unwahrem Zeugnis

Halten Sie sich nicht an die oben genannten Grundsätze, können Sie sich einem anderen Arbeitgeber gegenüber schadensersatzpflichtig machen.

Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch sind:

  • Das Zeugnis ist unrichtig (falsche Angaben, Auslassungen).
  • Sie haben dies gewusst.
  • Der neue Arbeitgeber hat sich auf Ihre Angaben verlassen.
  • Der Mitarbeiter wurde eingestellt.
  • Der neue Arbeitgeber hat einen Schaden erlitten.

Beispiel: Ein Arbeitgeber hatte seinem ausscheidenden Buchhalter ins Zeugnis geschrieben: „Wir kennen Herrn S. als einen zuverlässigen und verantwortungsbewussten Mitarbeiter. Er hat seine ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erfüllt.“

Wie sich später herausstellte, hatte der Buchhalter zahlreiche Unterschlagungen begangen. Der Arbeitgeber widerrief das Zeugnis nicht. Auf das Zeugnis hin wurde der Buchhalter bei einem neuen Arbeitgeber eingestellt, bei dem er erneut Unterschlagungen beging.

Folge: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass der frühere Arbeitgeber aufgrund des falschen Zeugnisses gegenüber dem neuen Arbeitgeber haftet. Bei einem Buchhalter durfte eine Unterschlagung zu Lasten des alten Arbeitgebers nicht verschwiegen werden. Der alte Arbeitgeber wurde zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von damals 100.000 DM verurteilt (BGH, Grundsatzurteil vom 15.05.1979, Az.:VI ZR 230/76).

Keine Regel ohne Ausnahme:

Wurden Sie als Arbeitgeber im Rahmen eines Rechtsstreits um ein Zeugnis zur Erteilung eines bestimmten Zeugnisses verpflichtet, haften Sie selbst bei grober Unrichtigkeit nicht.