Beleidigung durch einen Azubi – abmahnen oder kündigen?

Auch im Rahmen einer Ausbildung tragen keineswegs alle Beteiligten Samthandschuhe. Es gibt Berufe, Branchen und einzelne Abteilungen, in denen es eher deftig zugeht. Da fällt schon mal das eine oder andere Schimpfwort.

Natürlich sollten sich Mitarbeiter im Griff haben und Auszubildende erst recht. Schließlich haben sie Vorgesetzte und Ausbilder zu achten und deren Anweisungen Folge zu leisten. Kommt es in diesem Zusammenhang zu Konflikten, dann kann das auch mal zu einer Beleidigung vonseiten des Auszubildenden führen. Wie reagieren Sie als Ausbilder dann rechtssicher und angemessen?

Hier hat sich in den letzten Jahren einiges geändert:

Die Grundregel, dass eine schwere Beleidigung auch in einem Ausbildungsverhältnis eine fristlose Kündigung immer rechtfertigt, gilt nicht mehr. Es müssen noch zahlreiche andere Faktoren in die Waagschale geworfen werden. Dann sollte nach gründlicher Überlegung eine Entscheidung erfolgen: Abmahnen oder kündigen?

Es sind in der Regel Gerichtsurteile im Rahmen „normaler“ Arbeitsverhältnisse, die hier den Takt vorgeben. Wenn nämlich eine Kündigung hier nicht „durchkommt“, dann wird sie im Ausbildungsverhältnis erst recht scheitern. Der Gesetzgeber hat die Hürden für die Kündigung von Azubis nämlich bewusst noch etwas höher gelegt.

„Arsch“ und „Arschloch“ muss nicht für eine Kündigung reichen

Im Fall, den das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein entschieden hat (Az. 4 Sa 474/09 vom 8.4.2010), kam es in der Tat zu einem deftigen Vorfall. Ein seit 7 Jahren im Unternehmen beschäftigter Kraftfahrer entgleiste verbal bei der Anlieferung von Waren. Dem Lagerverwalter sagte er: „Ich liefere hier seit Jahren und jetzt aus dem Weg, du Arsch.“ Im folgenden Disput ist dann noch mindestens 5-mal das Wort „Arschloch“ gefallen. Die Kündigung folgte und der Kraftfahrer klagte dagegen.

Das Urteil zeigt, dass sich die Zeiten geändert haben. Das LAG kassierte die Kündigung und verwies darauf, dass es eine Abmahnung auch getan hätte. Schließlich handelte es sich um einen einmaligen Vorfall, nachdem das Arbeitsverhältnis bislang ungestört verlaufen war. Diese Betrachtung überrascht zwar grundsätzlich nicht, das Urteil angesichts der Schwere der Beleidigungen aber schon.

Kündigung? In der Ausbildung kommt es auf eine Menge Faktoren an

Noch differenzierter ist ein solcher Fall zu betrachten, wenn er sich im Rahmen einer Ausbildung abspielt. Zahlreiche Faktoren spielen hier eine Rolle. Mit der folgenden Checkliste sind Sie auf der sicheren Seite:

Checkliste: Beleidigung durch einen Azubi – Abmahnung oder kündigen?

JaNeinErläuterung
Gab es bereits zuvor Vorfälle dieser Art mit dem Auszubildenden?Ist unbestritten, dass der Azubi ein Wiederholungstäter ist, dann liegt eine Kündigung näher als eine Abmahnung.
Ist die Ausbildung im weitesten Sinne noch im Anfangsstadium (erste 12 bis 18 Monate)?In Ausbildungsverhältnissen, die schon weit fortgeschritten sind, entscheiden Arbeitsrichter seltener zugunsten einer Kündigung.
Handelte es sich um eine Beleidigung, die man aufgrund des verwendeten Kraftausdrucks als „schwer“ bezeichnen kann?Leichtere Beleidigungen sind weniger schwer zu gewichten. Beispiel: „Tickst du noch richtig?“
Blieb eine Entschuldigung aus?Eine Entschuldigung, vor allem wenn sie zeitnah ausgesprochen wird, macht eine rechtmäßige Kündigung unwahrscheinlicher.
Ist die beleidigte Person gegenüber dem Azubi weisungsbefugt?Beleidigungen unter Azubis sollten auch geahndet werden. Wird aber der Chef oder der Ausbilder beleidigt, ist das schwerwiegender.
Wurde die beleidigte Person damit vor anderen Personen bloßgestellt?Waren Personen dabei, möglicherweise Untergebene des Opfers, dann ist der Vorfall in der Tat gravierend.
Waren ggf. Kunden anwesend und haben die Verfehlung mitbekommen?Wurde beispielsweise eine im Verkauf verantwortliche Person vor Kunden von einem Azubi beleidigt, liegt eine Kündigung nahe.

Je öfter Sie „Ja“ ankreuzen, desto sicherer können Sie sein, dass eine Kündigung aufgrund einer Beleidigung möglich ist. Eine feste Schablone für Arbeitsgerichtsentscheidungen gibt es zwar nicht. Aber in der Regel reichen 2 bis 3 „Ja“ aus, um auf der sicheren Seite zu sein.