So funktioniert die 3-Stufen-Prüfung bei krankheitsbedingten Kündigungen

Frage: Ich habe kürzlich gelesen, dass man als Arbeitgeber vor der Kündigung von langzeiterkrankten Arbeitnehmern eine „3-Stufen-Prüfung“ vornehmen solle. Leider habe ich überhaupt keine Idee, was das sein soll.

Da wir aber gerade vor der Entscheidung stehen, uns von so einem Mitarbeiter zu trennen, bitte ich um Informationen hierzu.

Kündigung: Wann Sie die 3-Stufen-Prüfung anwenden

Antwort: Die 3-Stufen-Prüfung nehmen Arbeitsrichter vor, wenn ein langzeiterkrankter Arbeitnehmer gegen seine Kündigung klagt. Damit soll geprüft werden, ob die Kündigung gerechtfertigt war, oder nicht.

Das bedeutet für Sie: Entscheidend ist für Sie als Arbeitgeber – wie bei jeder anderen Kündigung auch – die richtige Vorbereitung. Denn je besser Sie die Kündigung eines dauerhaft erkrankten Mitarbeiters vorbereiten, desto besser sind Ihre Chancen, dass Ihre Kündigung im späteren Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht auch Bestand hat.

Versetzen Sie sich als Arbeitgeber bereits vor Ausspruch der Kündigung in die Lage des späteren Arbeitsrichters. Dabei macht es keinen Unterschied, welcher Richter nachher Ihre Kündigung verhandelt. Unsere Arbeitsrichter halten sich dabei grundsätzlich an die vom höchsten deutschen Arbeitsgericht vorgeschriebene Prüfung in 3 Stufen (BAG, Urteil vom 24.11.2005, Aktenzeichen: 2 AZR 514/04). Folgen Sie diesem 3-Stufen-Schema. Das erhöht die Erfolgsaussichten Ihrer Kündigung enorm!

Krankheitsbedingte Kündigung – 1. Stufe: Negative Gesundheitsprognose

Jede krankheitsbedingte Kündigung muss zukunftsbezogen sein. Entscheidend ist daher, wie die Prognose über die künftige Arbeitsunfähigkeit ausfällt. Können Sie als Arbeitgeber damit rechnen, dass Ihr Mitarbeiter in absehbarer Zeit wieder gesund wird, oder ist er bereits wieder gesund, hat eine personenbedingte Kündigung wegen Krankheit keine Aussicht auf Erfolg mehr. Um eine negative Gesundheitsprognose stellen zu können, müssen Sie sich als Arbeitgeber auf die objektiven Verhältnisse zum Zeitpunkt der krankheitsbedingten Kündigung verlassen. Nachforschungen über den tatsächlichen Gesundheitszustand Ihres Mitarbeiters müssen Sie nicht anstellen. Entwickelt sich der Gesundheitszustand des Mitarbeiters in der Folgezeit anders als vorhergesehen, hat dies keinen Einfluss mehr auf die Richtigkeit der negativen Gesundheitsprognose (BAG, Urteil vom 12.04.2002, Aktenzeichen: 2 AZR 148/01).

Als Arbeitgeber sind Sie in der Regel kein Arzt: Die negative Gesundheitsprognose ist für Sie als Arbeitgeber deshalb im Rahmen der Kündigung eines langzeiterkrankten Mitarbeiters mit der größten Unsicherheit verbunden. Feste Maßstäbe, welche Krankheitszeiten eine negative Prognose erlauben, existieren nicht. Mehr als 6 Wochen muss Ihr Mitarbeiter demnach mindestens arbeitsunfähig sein. Kürzere Fehlzeiten können niemals eine negative Gesundheitsprognose rechtfertigen. Außerdem muss der Zeitpunkt der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit objektiv nicht absehbar sein, wenn Ihre Kündigung Bestand haben soll. Ist dagegen in absehbarer Zeit mit einer Gesundung zu rechnen, ist die krankheitsbedingte Kündigung ausgeschlossen (BAG, Urteil vom 12.04.2002, Aktenzeichen: 2 AZR 148/01).

Krankheitsbedingte Kündigung – 2. Stufe: Auf die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen kommt es an

Die Schwierigkeit, ohne nähere Anhaltspunkte beurteilen zu müssen, wie lange ein Mitarbeiter voraussichtlich noch krank ist, sowie die Argumentationsprobleme der Arbeitgeber hinsichtlich der nachteiligen Auswirkungen für ihren Betrieb haben nun auch die deutschen Arbeitsgerichte erkannt. Deshalb hängen die negative Gesundheitsprognose und die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen nicht nur davon ab, wie lange Ihr Mitarbeiter voraussichtlich noch arbeitsunfähig sein wird, sondern auch davon, ob Sie als Arbeitgeber die durch die Langzeiterkrankung auftretenden Belastungen noch länger hinnehmen müssen. Aus diesem Grund muss Ihre krankheitsbedingte Kündigung auch der arbeitsrichterlichen Prüfung der Interessenabwägung standhalten. Hier kommt es darauf an, ob Sie als Arbeitgeber die entstandenen betrieblichen Belastungen noch länger hinnehmen müssen oder ob diese ein solches Ausmaß erreicht haben, dass Ihnen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht länger zugemutet werden kann (BAG, Urteil vom 12.04.2002, Aktenzeichen: 2 AZR 148/01). Dies müssen Sie so konkret wie möglich beweisen.

Krankheitsbedingte Kündigung – 3. Stufe: Unter diesen Voraussetzungen müssen Sie Langzeiterkrankungen nicht mehr hinnehmen

Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage, wann Sie die erheblichen Beeinträchtigungen durch die Langzeiterkrankungen von Mitarbeitern nicht mehr hinnehmen müssen, erst kürzlich eindeutig entschieden. Und zwar zu Ihren Gunsten. Entscheidend für eine negative Gesundheitsprognose, die Ihre betrieblichen Interessen als Arbeitgeber in erheblichem Maße beeinträchtigt, und damit entscheidend für die Wirksamkeit Ihrer krankheitsbedingten Kündigung, ist die Ungewissheit über die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit.

Beispiel: 18 Monate sind genug. Nicht genug, dass Sie in Ihrem Speditionsbetrieb mit der Wirtschaftskrise zu kämpfen haben. Seit nunmehr 18 Monaten ist nun auch noch Ihr Fahrer Marvin M. infolge eines Nierenversagens krankgeschrieben. Wie Sie jetzt erfahren haben, wartet Marvin M. seit geraumer Zeit auf eine Spenderniere, ohne dass bisher ein entsprechendes Organ für ihn zur Transplantation zur Verfügung gestanden hätte. Weil Sie die Stelle von Marvin M. unbedingt neu besetzen müssen, kündigen Sie nun auf Grund einer negativen Gesundheitsprognose, auf Grund derer Ihre betrieblichen Interessen als Arbeitgeber erheblich beeinträchtigt sind.

Folge: Ihre Kündigung ist wirksam. Da Marvin M. bereits mehr als 18 Monate arbeitsunfähig erkrankt ist und nicht absehbar ist, wann mit der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit gerechnet werden kann, haben Sie als Arbeitgeber ein erhebliches betriebliches Interesse an der Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Damit gilt: Ist Ihr Mitarbeiter bereits längere Zeit – im entschiedenen Fall 18 Monate – arbeitsunfähig erkrankt und ist zum Zeitpunkt der Kündigung völlig ungewiss, wann mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist, beeinträchtigt allein diese Ungewissheit Ihre personelle Planungssicherheit und damit Ihre betrieblichen Interessen in so erheblichem Maße, dass eine krankheitsbedingte Kündigung gerechtfertigt ist (BAG, Urteil vom 18.01.2007, Aktenzeichen: 2 AZR 759/05).

Als Arbeitgeber gibt es aber auch in der Ungewissheit noch eine Gewissheit: Es kommt nämlich außerdem nicht unbedingt darauf an, ob der Zeitpunkt der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit tatsächlich ungewiss ist. Ist in den nächsten 24 Monaten ab dem Zugang der Kündigung nicht damit zu rechnen, dass der betroffene Mitarbeiter wieder arbeitsfähig wird, sind Ihre betrieblichen Interessen als Arbeitgeber ebenfalls erheblich beeinträchtigt, so dass auch dann eine Kündigung gerechtfertigt ist (BAG, Urteil vom 12.04.2002, Aktenzeichen: 2 AZR 148/01; in: AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969). Damit hat das höchste deutsche Arbeitsgericht den Kündigungsschutz langzeiterkrankter Arbeitnehmer zu Ihren Gunsten erheblich verkürzt. Das Risiko, nicht „rechtzeitig“ gesund zu werden, tragen damit nach der neuen Ansicht des Bundesarbeitsgerichts in erster Linie Ihre

Mitarbeiter.

Tipp: Spricht einer der folgenden Gründe für die Weiterbeschäftigung Ihres Mitarbeiters, sollten Sie von einer krankheitsbedingten Kündigung absehen, wenn die Ihnen als Arbeitgeber durch die Dauer der Erkrankung entstandenen Belastungen nicht ein Ausmaß erreicht haben, das Ihnen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht.

  • Sprechen die sozialen Daten wie Alter, Familienstand, gegebenenfalls auch eine Schwerbehinderung für Ihren Mitarbeiter?
  • Hat die Erkrankung eine betriebliche Ursache?
  • Ist die Erkrankung des Mitarbeiters chronisch?
  • Hatten Sie als Arbeitgeber bei der Einstellung Kenntnis von der Krankheit oder der Krankheitsanfälligkeit Ihres Mitarbeiters?
  • Verfügen Sie in Ihrem Betrieb über eine Personalreserve, mit der Ausfälle anderer Mitarbeiter
  • ausgeglichen werden können?
  • Spricht der bisherige konkrete Verlauf des Arbeitsverhältnisses für Ihren Mitarbeiter, das heißt, hat er in der Vergangenheit nur wenige Fehlzeiten gehabt?

Können Sie einen dieser Punkte mit Ja beantworten, sollten Sie eine Kündigung wegen einer Langzeiterkrankung nur in Erwägung ziehen, wenn Ihnen als Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus erheblichen betrieblichen Gründen nicht länger zugemutet werden kann.

Wichtiger Hinweis! Haben Sie in Ihrem Betrieb einen Betriebsrat, sollten Sie darauf achten, dass dieser vor Ausspruch der Kündigung rechtzeitig nach § 102 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) anzuhören ist.